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Die Artediem Sinnesserie: Das sind Gedanken und Inspirationen rund um die Sinne nebst einem kleinen "Genusstraining". Geschrieben, recherchiert und ausprobiert von mir persönlich auf Initiative von Dr. Irene Pigulla von der Engelbert Humperdink Apotheke. Der erste Teil ist der Nase und dem Gaumen gewidmet.

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Die Artediem Sinnesserie Teil 1:

Riechen und Schmecken: „Zwerg Nase“ und „Lady tongue“ als Reiseführer zu Orten kleiner Glücklichkeiten.

Eines meiner liebsten Märchen als Kind war „Zwerg Nase“. Der kleine Mann mit der großen Nase hatte ein wundersam seltenes Kräutlein entdeckt, mit dem er Speisen wie kein anderer würzen konnte. Ich war mir damals sicher, dass das „Kräutlein Niesmitlust“ Waldmeister war – diese fein duftenden Stängelchen, die es nur einmal im Jahr gab. Ein Duft, den ich zum ersten Mal bei einem Maifest im Wald mit Lampions gerochen hatte, bei dem ich sogar ein Schlückchen Bowle trinken durfte, mir heimlich die Erdbeeren aus dem Sekt fischte und bis nach Mitternacht aufbleiben durfte.

Wenn ich heute Waldmeister rieche, tauche ich sofort zurück in die Stimmung dieses Abends, dieses Angestecktwerden von einer geheimnisvoll überschäumenden Lebenslust, süß, grün, frisch und prickelnd wie die Maibowle.

Der Zeitreisesinn der Nase

Riechen und Schmecken tragen in sich einen – wie der Autor Andreas Hartmann es nennt – „Zeitreisesinn“: Die magische Fähigkeit, einen sofort in die Stimmungen und Empfindungen vergangener Zeiten zurückversetzen zu können.

Andres als die anderen Sinne werden der Geruchs- und Geschmacksinn nicht von dem gehirninternen „Türsteher“ – dem Thalamus – gefiltert, sondern gelangen direkt ins so genannte „limbische System“. Dieses Areal ist das emotionale Zentrum des Gehirns, dessen Impulse und Funktionen so eng mit unseren Gefühlen verknüpft sind.

Gerüche und Geschmäcker lassen uns assoziieren, führen uns auf innere Reisen und lösen Lust, Begeisterung aber auch Antipathie aus. Der Geruch von Großmutters warmem Apfelstrudel oder Grießbrei mit gerösteten Mandeln ruft vielleicht Assoziationen von kindlicher Geborgenheit wach, der Duft frisch gemähten Grases erinnert an Sommerlust oder spült vielleicht die Trauer um eine vergangene Liebe hoch. Und wehe, wir können jemanden „nicht riechen“: Stimmt die (Geruchs) Chemie nicht, ist es extrem schwierig, zum anderen ein inniges oder auch nur gutes Verhältnis aufzubauen.

Riechen: Entscheidend für den "Geschmack am Leben"

Kein Wunder, dass das Wahrnehmen von Aromen so wichtig für unser Wohlgefühl ist. Fehlt der Geruchssinn, mit dem wir bis zu 10000 verschiedene Aromen wahrnehmen können, geht uns auch die Freude am Schmecken verloren. Denn die Zunge kann nur die Geschmacksrichtungen süß, sauer, bitter, salzig und „umami“ (der fleischbrüheartige Geschmack von Glutamat) unterscheiden. All unsere andere Gaumenfreude erreicht uns durch die Nase – 90% unseres „Aromaerlebnisses“ sind Geruch. Wobei es hier einen Unterschied macht, ob die Gerüche von außen oder innen – d.h. durch den Rachen – auf unsere Riechzellen treffen. Fehlt der Geruchssinn, geht der „Geschmack am Leben“ selber oft verloren. Laut Professor Thomas Hummel vom Bereich „Riechen und Schmecken“ der Universität Dresden erkranken 75% derjenigen, die ihren Geruchssinn verloren haben, an einer Depression. Und umgekehrt können Geruchserlebnisse wieder die Lebenslust wachkitzeln.

Bei meinen morgendlichen Spaziergängen beobachte ich manchmal Hunde, wie sie sich voller Wohlbehagen durch die Welt schnüffeln und stelle mir vor, wie ein solches „Nasendasein“ wohl wäre – eine durchaus angenehme Vorstellung. Es steigert tatsächlich die Lebensqualität, die Wahrnehmungsfähigkeit für Gerüche und Geschmäcker zu trainieren.

Als Heilmittel wurden Aromen in vielen Kulturen eingesetzt: Sowohl die Ayurvedamedizin benennt die Wirkung von verschiedenen Düften wie auch alte Schriften aus Ägypten, Griechenland und Persien durch Düfte wieder Balance in das psychophysische System zu bringen versuchten. Diese Ideen erleben in der modernen Aromatherapie wieder eine Renaissance.

Ist die Wirksamkeit im medizinisch-wissenschaftlichen Sinn auch nicht eindeutig nachweisbar, so ist doch eines sicher: Nase und Gaumen zu schulen macht Spaß!

Deshalb haben wir von Artediem für Sie zwei kleine „Genusstrainings-Übungen“ entwickelt uns natürlich auch persönlich ausprobiert.

Viel Vergnügen beim Trainieren Ihrer „Nase für gutes Leben“ wünscht

Judith de Gavarelli



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Genussübung 1: Eine Schreibreise mit der Nase

Besorgen Sie sich 2-4 Dinge mit einem intensiven, Ihnen nicht unangenehmen und verschiedenen Duft. Z.B. frische Pfefferminze, Kaffeebohnen, aromatische Erdbeeren, Zedernholz, Gras, Vanille oder Zimt. Außerdem brauchen Sie noch etwas zum Schreiben.

Widmen Sie sich nun nacheinander den Düften. Riechen Sie und lassen den Geruch mit geschlossenen Augen nachhallen. Dann schreiben Sie Ihre Assoziationen auf. Wenn dieser Duft eine Form wäre: Wie sähe die aus? Was für ein Farbe fällt Ihnen dazu ein? Was für ein Klang? Was für eine Temperatur hätte der Geruch? Was für eine Bewegung? Gibt es ein Ereignis, an die er sie erinnert? Wenn dieser Geruch eine Romanfigur wäre, welchen Charakter hätte diese? Wenn Sie dann noch Zeit und Lust haben, können Sie auch eine kleine Geschichte rund um diesen Geruch schreiben - eine „Pfefferminzstory“ oder eine „Kaffeekurzgeschichte“. Mir hilft es dabei oft, „ohne Punkt und Komma“ zu schreiben - diese Übung ist für Sie und Sie brauchen keine druckreifen Sätze abzuliefern. Sind Sie mit dem einen Duft fertig, nehmen Sie sich den nächsten vor. Es sollten an einem Tag mindestens zwei sein - nach oben ist dem Vergnügen keine Grenze gesetzt.


Genussübung 2:Die Geruchs- und Geschmacksbiografie

Auch das ist eine kleine, angenehme Schreibübung: Schreiben Sie von der Jetztzeit an rückwärts alle angenehmen Geruchs- und Geschmackserinnerungen auf - zurück bis in die Kindheit. Beschreiben Sie kurz die damit zusammenhängenden Situationen. Wer sich dann etwas besonders Gutes tun will, holt sich (so möglich) ein paar dieser Gerüche in den darauf folgenden Tagen in die eigene Wohnung oder sucht Orte auf, die so ähnlich riechen. Bei dieser kleinen Sinnesübung werden Sie staunen, wie viel intensiver Sie danach Gerüche und Geschmäcker wahrnehmen.


Genussübung 3:Der Riechspaziergang

Das ist eine wunderbare Übung, bei der ich mein Stadtviertel noch einmal auf eine besondere Weise lieben gelernt habe. Nehmen Sie sich etwa 1 Stunde Zeit und machen Sie einen Spaziergang durch Ihr Viertel (oder wahlweise auch eine andere Gegend) mit dem Fokus auf „Aufspüren von guten Gerüchen“. Stecken Sie Ihre Nase einmal überall rein. Gerade jetzt im Frühling werden sie erstaunt sein, wie ergiebig das ist. Und vielleicht gibt es auch ein Geschäft, in dem es wunderbar nach Leder riecht und eine Backstube, in der einem dienstags immer der Duft von Aprikosenstreussel in die Nase steigt. Wenn Sie mögen, fertigen Sie einen Duftstadtplan oder eine Duftlandkarte an – übrigens auch ein tolles Geschenk.